Wo stehen wir und wie legen wir los?
Design Thinking, wie es im Lehrbuch beschrieben wird, folgt sechs klar definierten Phasen, die aufeinander aufbauen, jedoch flexibel und iterativ gestaltet werden können.
In der Praxis beginnt man jedoch selten „auf der grünen Wiese“. Meist bringt man bereits „Gepäck“ mit – sei es ein laufendes Projekt, erste Ideen oder sogar einen Prototyp. Die Standortbestimmung hilft dabei, zu klären, wo genau wir stehen und wie wir sinnvoll in den Prozess einsteigen können.
Dabei gibt es drei mögliche Startpunkte:
EXPLORE / ENTDECKEN
folgende Punkte mit JA
beantworten kannst:
- Du hast in einem Bereich ein Problem entdeckt und das Gefühl, dass es Potenzial für neuen Lösungen hat.
- Du kennst Deine Nutzer noch nicht oder nur vage.
- Du hast Bock, daran zu arbeiten aber weißt nicht, wie Du weiter vorgehen sollst.
Stell Dir vor...
…Du stehst vor einem Garten, in dem Du ein ungenutztes Stück Land siehst, das für eine neue Pflanzung voller Potenzial steckt.
Du hast zwar das Grundstück, aber kennst die Bodenbedingungen oder die Pflanzen, die dort am besten wachsen würden, noch nicht genau.
Du bist bereit, loszulegen, aber unsicher, welche Samen, welche Werkzeuge oder welchen Anbauplan Du für die besten Ergebnisse wählen solltest.
Artur Fischer - ein praktisches Beispiel:
Arthur Fischer, der Erfinder der berühmten fischer-Dübel, kam durch ein praktisches Problem auf die Idee, dass viele Handwerker und Heimwerker kennen: die sichere Befestigung von Schrauben in Wänden.
In den 1950er Jahren, als Fischer an einer Befestigungslösung für seine neu entwickelten Blitzgeräte für Kameras arbeitete, stellte er fest, dass es schwierig war, Schrauben stabil in porösen oder bröckeligen Materialien wie Beton oder Ziegel zu fixieren.
Seine Lösung war genial und einfach: ein Kunststoffdübel, der sich im Bohrloch ausdehnt, wenn eine Schraube hineingedreht wird. Dieser Mechanismus sorgt für eine sichere Verankerung, indem er die Kräfte gleichmäßig verteilt und verhindert, dass das Material ausbricht.
Fischer meldete 1958 den ersten Kunststoffdübel, den „S-Dübel“, zum Patent an. Diese Erfindung revolutionierte die Befestigungstechnik und machte ihn zu einem Pionier in diesem Bereich.
Interessanterweise ging es ihm dabei zunächst gar nicht um Massenprodukte, sondern um eine Lösung für ein spezifisches Problem – eine Denkweise, die typisch für Innovationen ist.
CREATE / GESTALTEN
folgende Punkte mit JA
beantworten kannst:
- Du kennst Deine Nutzer, hast verstanden wie sie sich verhalten.
- Du möchtest an einer neuen Idee zur Lösung des Problems oder Themas tüfteln.
- Du bist offen für neuartige Gedankengänge und verrückte Ideen.
Stell Dir vor...
… Du bist ein Detektiv, der an einem kniffligen Fall arbeitet.
Du hast bereits einige Hinweise gesammelt und ein gutes Verständnis dafür entwickelt, wie die beteiligten Personen agieren und reagieren.
Jetzt stehst Du vor der Herausforderung, alle Puzzlestücke zusammenzufügen, um eine schlüssige Lösung zu finden.
Ein praktisches Beispiel:
Das Bild zeigt ein Fahrrad, an dessen Rahmen mit Klebeband mehrere Bananen befestigt sind.
Das Bedürfnis dahinter könnte sein, unterwegs einen schnellen und unkomplizierten Zugang zu energiehaltigen Snacks wie Bananen zu haben – ideal für längere Touren oder als Proviant.
Gleichzeitig deutet die improvisierte Befestigungslösung auf den Wunsch hin, eine pragmatische, kostengünstige und sofort verfügbare Methode zu nutzen, um die Verpflegung griffbereit zu transportieren.
Es zeigt den kreativen Umgang mit Alltagsproblemen, wenn spezielle Halterungen fehlen.
EVALUATE / TESTEN
folgende Punkte mit JA
beantworten kannst:
- Du hast schon ein Produkt, eine Dienstleistung eine Geschäftsidee oder ein Event (fertig) entwickelt oder überarbeitet.
- Du hast ein neues Angebot entwickelt oder ein bestehendes erweitert und weißt nicht, wie Deine Zielgruppe darauf reagiert.
- Bevor du dein Produkt auf den Markt bringst, möchtest du eine Einschätzung des Risikos erhalten.
Stell Dir vor...
Du bist ein Kapitän, der ein neues Schiff entworfen hat, um auf unbekannten Gewässern zu segeln.
Du hast alle notwendigen Anpassungen vorgenommen, um sicherzustellen, dass es sowohl schnell als auch komfortabel ist.
Doch bevor Du in See stechen kannst, bist Du unsicher, wie das Meer auf Dein neues Schiff reagieren wird und welche Herausforderungen auf Dich warten könnten.
Ein Beispiel dafür:
In einem Design-Thinking Workshop gingen wir der Frage nach „Wir kann unsere Persona von anderen Generationen lernen, obwohl sie vorher die Qualität des Austausches nicht beurteilen kann?“
Als Prototyp haben wir einen „Generationenbuch“ gebaut und dies mit einer Zielgruppen-testperson vertestet. Das Feedback der Vertestung fließt iterativ weiter in die nächsten Schritte mit ein.